Das verborgene Gesicht: Das Prinzip der Verdrängung
Andrés Baiz‘ La cara occulta erzählt eine Eifersuchtsgeschichte, die uns in jeder Szene den Mangel des Subjekts vor Augen führt: Mit Adriáns Umzug nach Bogotá wird das Rad des unstillbaren Begehrens in Gang gesetzt, für Fabiana wird Adrián von der ersten Szene an als potentielle Bedrohung inszeniert. Doch darüber hinaus stilisiert der Film anschaulich die Umstände einer weitestgehend dissoziativen Verdrängung: einer Trennung entscheidender Inhalte von der bewussten Lebenssphäre.
Die Struktur der Verdrängung wird vor allem zwischen Belén und Adrián skizziert, der Mechanismus der Verdrängung wird hingegen an Fabiana kenntlich. Es ist die Dreh- und Angelszene, in der sie sich entschließt, Belén weggesperrt zu lassen, um die alltägliche Lebensstruktur beizubehalten. Doch dies funktioniert nicht, sie lässt sich von der Oberfläche fernhalten, aber nicht vollständig verbannen. Bereits zuvor zeigte sich das Verdrängte in Form von Symptomen (im Spülbecken und in der Badewanne) und Fehlleistungen (die variierende Duschtemperatur).
Der verdrängte Inhalt ist einerseits abgespalten und nicht zugänglich. Gleichzeitig bleibt er ein relevantes Thema in der bewussten Welt (die Polizei fahndet nach Belén), allerdings nicht in Form der verdrängten Wahrheit, sondern der thematischen Struktur. Es kann eben immer nur der Signifikant, der ideelle Repräsentant, verdrängt werden, nie das Signifikat. Darum ist Belén auch im ersten Drittel des Films in fast jeder Szene thematisch präsent.
Das in einem traumatischen Zusammenhang Verdrängte bleibt nicht statisch, sondern entwickelt zuweilen ein destruktives Eigenleben, was früher oder später wieder in die bewusste Welt hineinreichen wird. Das kann subtil geschehen (die seichten Wasserwellen), hat negative Wirkungen (die Verbrennung unter der Dusche) und kann im schlimmsten Fall radikal die alltägliche Lebenswelt zerstören (die letztendlich Wegsperrung Fabianas durch Belén). So wie bei Lacan die Verdrängung wie eine Metapher strukturiert ist und es letztendlich immer zur Rückkehr des Verdrängten kommt, so wird Belén durch Fabiana substituiert, bis zuletzt nur das Bild Beléns zurückbleibt. Dass Belén letztendlich mit Fabiana ausgetauscht wird, zeigt die dialektische Komponente einer Verdrängung: Stets schließt sie Aufrechterhaltung und Gegenbewegung mit ein. Weil das Verdrängte prinzipiell mit Motilität ausgestattet ist, befindet sich die Verdrängung ständig auf der Grenze des Scheiterns. In diesem Sinne ist Belén nur durch eine Spiegelwand von Adrián entfernt. Das Verdrängte ist das Jenseits der Spiegelung, die die Ich-Vorstellung konstituiert.