Die Instrumentalisierung von Psychedelika

 

Der Hippie-Generation fehlte insofern Balance im Umgang mit Psychedelika, als dass viele den Eindruck hatten, man müsse nur oft genug LSD einnehmen, um alles zu durchschauen und dauerhaft Erleuchtung zu erfahren. Wie alle Substanzen haben auch Psychedelika ein Wirkungsende. Zwar kann während der Wirkung etwas als Grundlage einer nachhaltigen Veränderung geöffnet und angestoßen werden. Temporäre mystische Erfahrungen durch Psychedelika konsolidieren einen aber nicht als Meister der Mystik. Entscheidender ist die täglich-nüchterne Belichtungsbereitschaft des eigenen Schattens. Nur wer in der Tiefe starke Wurzeln hat, kann sich in hoher Höhe halten.

Bei dem heutigen Trend des Psychedelikakonsums besteht die Tendenz einer der vorherigen Generation gegenteiligen Richtung. Während letztere in ihrer Exploration der Innenräume sehr auf Psychedelika setzten, bleibt das heutige psychedelische Interesse zuweilen oberflächlich und ohne Sehnsucht nach einem Tauchgang in ungeahnte Tiefen. Die Einnahme liegt in solchen Fällen nicht darin motiviert, unbekannte Dimensionen, unbegreifbare Bewusstseinszustände und temporäre Transzendenz zu erfahren. Stattdessen soll das Psychedelikum einem vorab bestimmten Zweck dienen, bestimmten Vorstellungen gewünschter Veränderung entsprechen und ein Werkzeug zur Selbstoptimierung oder Leistungssteigerung sein.

Es ist in Ordnung, psychedelische Substanzen als Instrument für ein gewünschtes Ziel einzusetzen. Wer sollte uns vorschreiben, was im Umgang mit ihnen richtig und was falsch wäre? Wenn wir allerdings das Potential dieser magischen Moleküle ausschöpfen möchten, kann unser Umgang mit ihnen nicht auf optimierende Mechanik reduziert sein. Ansonsten wird die Grenze zwischen rationalem Einsatz eines Instrumentes und ignorantem Gebrauch dünn. Zu einem balancierten Umgang mit Psychedelika gehört es, der Substanz beziehungsweise dem Raum, den sie öffnet, zu vertrauen. Es ist das Vertrauen, dass die dadurch initiierte Bewusstseinsqualität weiser als der limitierte Zustand des Alltagsegos ist. Die Bereitschaft zur Hingabe und zum Erlauben alles Aufkommenden spielt eine große Rolle.

Staunen ist für eine psychedelisierte Psyche ein zentraler Faktor. Darüber hinaus kann es zu mystischen Erfahrungen kommen, in denen selbst das Staunen durch sakrales Selbsterlebnis unabhängig vom Raum und Zeit übertroffen wird. Demgegenüber sehen wir heutzutage einen Trend zum Microdosing, das Konsumenten zuweilen nur zur Optimierung ihres Workflows einsetzen möchten. Damit einher geht die Tendenz, auch bei psychedelischen Sessions in einem unteren Dosisbereich zu bleiben. Damit mich niemand falsch versteht: Microdosing kann nützlich sein und es ist richtig, mit Dosierungen zu arbeiten, für die man sich bereit fühlt. Wer allerdings bei 100 ug LSD stehenbleibt, verpasst das volle Potential der Substanz. Es ist schlichtweg eine unterschiedliche Haltung, ob man Psychedelika einnimmt, um in einer Hingabe ans Universum Ego-Transzendenz zu erfahren, oder ob das Ego vorab bestimmt, was während der Wirkung passieren soll. Psychedelika können uns nur unbekannte Bereiche unseres Schattens transformativ aufzeigen, wenn wir uns darauf einlassen und für entsprechende Transformation öffnen. Bevor wir bestimmen, was wir mit Psychedelika verändern möchten, sollten wir dafür offen sein, dass wir uns etwaiger Selbstaspekte gar nicht bewusst sind.

Selbstoptimierung und psychedelische Transformation sind zwei unterschiedliche Entwicklungsabsichten. Erstere zielt darauf ab, die beste Version dessen herzustellen, wofür wir uns halten. Hier liegt ein Selbstbild vor, auf das hingearbeitet wird. Dass man etwas Bestimmtes optimieren möchte, ist keineswegs kategorisch falsch, wird jedoch vom psychedelischen Potential transzendiert. Psychedelische Transformation geht aus der Erkenntnis hervor, dass übliche Selbstbilder auf unzulänglichen Vorstellungen beruhen, die durch Erziehung und Gesellschaftsmaßstäbe eingerichtet wurden. Sie macht sich zu unbekannten Ufern auf, um verzerrte Selbstbilder zu überwinden und neue Wirklichkeiten zu erschließen. Ihr Ziel liegt nicht in der Kontrolle bestimmter Erscheinungsformen, sondern in einer entspannten Grundhaltung durch Aufhebung trennender Illusionen. Ein Bonus ist idealerweise die Realisation der ewigen Perfektion des wahren Selbst.

Überteuerte Retreatanbieter und oberflächliche Social Media-Inszenierungen zum Thema versprechen Optimierung. Ihr Angebot ist auf Menschen mit geringer psychedelischer Kenntnis ausgerichtet, um sie mit konkreten Heilversprechen für sich einzunehmen. Es werden Buzz-Wörter und psychologische Termini abseits ihrer fachlichen Bedeutung benutzt, um Laien zu beeindrucken. Bemerkenswert ist auch die Bewerbung von Retreats mit der Anwesenheit von Psychologen, obwohl das positivistische Psychologie-Studium als empiristische Kognitionswissenschaft weder eine therapeutische Ausbildung noch eine Kenntnis psychedelischer Bewusstseinsinspektion impliziert. Je expliziter jemand vorgibt, die psychedelische Erfahrung in der Hand zu haben und in abgepackten Häppchen verkaufen zu können, desto weniger vertrauenswert ist er. Natürlich kann man durch einen optimalen Kontext eine entscheidende Grundlage für eine gute Erfahrung legen. Die eigentliche Arbeit leistet dennoch die Substanz in Kombination mit dem psychedelisierten Individuum, während die Begleitung friedlich den Raum hält. Ein kundiger Freund ist dafür zuweilen angebrachter als jemand, dessen Angebot auf finanzieller Kalkulation basiert.

Trotz heutiger empirisch-analytischer Erforschung der psychedelischen Wirkung ist sie nach wie vor von einer magischen Komponente getragen. Niemand weiß, warum durch die Methoxygruppe als eine der einfachsten Atomanordnungen aus der visuell-dimensionalen Realitätsersetzung durch DMT eine energetische Realitätsauflösung durch 5-MeO-DMT wird. Es kann niemand erklären, warum die vermeintliche Grenze zwischen Geist und Körper bei Psychedelika dermaßen verschwimmt, dass zuweilen wenige Mikrogramm existentielle Erfahrungen auslösen. Professionelle Kenntnis auf dem Gebiet der Psychedelik beinhaltet weder, dass man das Thema wie ein Ingenieur die Maschine restlos durchschaut hat, noch dass man voraussagen kann, welche tiefenpsychischen Inhalte während der einzelnen Wirkung aufkommen oder gelöst werden und nach dem üblichen Afterglow gelöst bleiben. Oberflächlicher Konsum geht Hand in Hand mit kapitalisierenden Vielversprechern – das volle Potential von Psychedelika liegt abseits davon.

Wer fruchtbringend mit Psychedelika gearbeitet hat, sollte für das Wunder des Lebens mehr Kuriosität entwickelt und in seiner Ausrichtung zur Welt mehr als Eigennutz im Sinn haben. Die psychedelische Erfahrung ist ein Geschenk des großen Geistes der Natur an die Menschen. Begegnen wir ihr mit Weisheit und Vernunft wie Hingabe, kann sie uns zu ungeahnten Höhen und Tiefen begleiten, sogar bis zum Grund des Seins. Sie hat es nicht verdient, als kapitalistisches Produkt auf leistungsorientierte Mechanik reduziert zu werden.

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