Verschlagwortet: Filmanalyse

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Breakthrough – Übereinstimmungen des Plots von Contact und der subjektiv erlebten Wirkung von Dimethyltriptamin

In dem Film Contact (1997) stellt die Protagonistin Ellie Arroway im Rahmen des SETI-Projekts Kontakt zu einer außerirdischen Intelligenz her. Diese übermittelt ihr Pläne für eine Konstruktion, die es mutmaßlich ermöglicht, zu deren Planeten zu reisen. Das Gefährt wird gebaut und Arroway darf es ausprobieren. Was sie dann erlebt, stimmt in erstaunlich vielen Punkten mit anekdotischen Berichten der Wirkung von N,N-Dimethyltriptamin (DMT) auf den menschlichen Geist überein. DMT ist mutmaßlich in allen Lebewesen enthalten, sprich eine körpereigene Substanz, und strukturell simpler als Serotonin (quasi nicht viel mehr als eine Aminosäure). Gleichzeitig ist es bei exogener Zuführung die psychedelisch wirksamste Substanz...

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The Lobster als dystopische Hyperbel moderner Entfremdung

The Lobster erzählt von einer dystopischen Gesellschaft, in der Menschen nur in Paaren öffentlich leben und agieren dürfen. Wer seinen Partner verliert oder keinen findet, wird in ein Hotel einquartiert. Dort hat er eine festgelegte Zeitspanne zur Verfügung, einen Partner zu finden. Bleibt dies ohne Erfolg, wird er in ein Tier verwandelt. Die einzige Alternative wäre, sich als Individualist in den Wäldern aufzuhalten, unter der Gefahr, wie ein Tier von den Hotelinsassen gejagt zu werden. Was auf den ersten Blick als Phantasiegeschichte anmutet, ist eine zugespitzte Allegorie auf die Funktionsweise menschlicher Denkweisen in der zivilisierten Welt. The Lobster ist eine...

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Another Earth: Vergebungsbegehren als Gravitationsfeld

Die Erde zieht in Another Earth eine vermeintliche Kopie ihresgleichen an. Äquivalent gilt die Gravitation des Films dem Beweggrund der Vergebung. Die Protagonistin Rhoda Williams verursacht einen Autounfall mit tödlichem Ausgang, der ein ganzes Familienleben beendet. Der einstige Professor und Familienvater John Burroughs liegt lange Zeit im Koma und vegetiert danach depressiv und alkoholkrank vor sich hin. Williams fühlt sich nach offiziell verbüßter Strafe innerlich kalt und derealisiert und legt sich in die eiskalte Nacht um zu sterben. Ihr interner Zustand wird unmittelbar mit der kontextualen Konfiguration des Plots in Einklang gebracht. Das Säubern der Schule (sie übernimmt einen Job...

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The Babadook: Die Unmittelbarkeit des Sinnbildes

The Babadook ist vermutlich der gelungenste Horrorfilm 2014. Er ist zumindest der liebevollste. Er erzählt nämlich von der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind und der Liebe vom Kind zur Mutter. Dabei hat er einige Gemeinsamkeiten mit Enemy, denn auch für The Babadook gilt: Der Plot ist eine symbolisch-analogische, stellvertretend-visuell-auditive Übersetzung dessen, was im Unterbewusstsein der Protagonistin vor sich geht. Horrorfilme gruseln uns besonders, wenn sie etwas in der Tiefe der Psyche tangieren, das uns besorgt, in Widerspruch zu unseren bewussten Idealvorstellungen steht. Es ist nicht das gruselige Bild auf der Leinwand, das uns fürchtet, sondern die Identifikation mit dem...

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Slow West: Die Friendzone als ödipale Katastrophe

Achtung, starker Spoiler! Der Neo-Western Slow West erzählt die Geschichte des jungen Jay Cavendish, der gen Westen reitet, um seine Liebe Rose Ross wiederzufinden. Einst wurde Jay von seinem Onkel unter ihrem Bett aufgefunden, wodurch es zu einer handfesten Auseinandersetzung mit ihrem Vater John kam. Der gut betuchte Onkel starb infolgedessen, so dass Rose mit ihrem Vater in den Westen fliehen musste. Obwohl Rose explizit gegenüber Jay formulierte, dass dieser nur wie ein Bruder für sie sei, hält er entschieden an seiner Liebe fest. Gegen Geld erhält er Unterstützung vom Kopfgeldjäger Silas Selleck, auch gegen weitere Kopfgeldjäger. Der Film erzählt...

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Enemy – Analyse, Interpretation und Erklärung

Achtung, starker Spoiler! Obwohl Denis Villeneuves Enemy streng durchkomponiert ist und jede Szene und jeder Satz auf einer tieferen Ebene semantisch geladen sind, ist eine rationale kohärente Deutung des Films kaum möglich. Dazu spielt er zu sehr mit der Nicht-Erfüllung des Bedürfnisses des Zuschauers nach vollständiger Auflösung. Nichtsdestotrotz lassen sich die meisten Teile dieses Puzzles erklären und zu einem sinnvollen Bild zusammenfügen. Chris Stuckman hat die Eckpfeiler einer plausiblen Lesart in seiner Analyse bereits herausgearbeitet. Enemy handelt von einem Mann, der seiner Frau untreu ist, aber reuevoll zu ihr zurückkehrt. Er hat Ambitionen, Schauspieler zu werden, ist jedoch nicht talentiert...

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Breaking Bad: Narrationsinterne Spiegelungen

Im Unterschied zu vielen US-Serien, die ihre Handlung lediglich mit repetitivem Humor (Monk) oder viel Lärm um Wenig (The Blacklist) ausgestalten, beherrscht Breaking Bad verschiedene narrative Kniffe. Einen möchte ich als narrationsinterne Spiegelung bezeichnen: Die Art der Erzählung spiegelt den Inhalt der Erzählung. Das können bestimmte Kameraeinstellungen sein oder Elemente, die in die Handlung integriert wurden, ohne für jene eine relevante Funktion zu erfüllen. Erst auf der symbolischen Ebene wird die Funktion offenbar, nämlich als ornamentaler Signifikant des Plots zu dienen. Ein paar Beispiele:

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Robocop – Neurotischer Selbstverlust im Großen Anderen

Neben der dezidierten Kritik an der amerikanischen Kriegsführung veranschaulicht José Padilhas Robocop noch etwas anderes: Die Desintegration der imaginären Sphäre aus dem Realen und dem Symbolischen. Der Film strukturiert eine Bogenbewegung von der imaginären Einheit (in Form des familiären Zentrums) ausgehend über deren radikalen Verlust hin zu einer gemäßigten Wiedereingliederung in die Symbolische Ordnung.

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Fight Club: Leiden als Voraussetzung einer Progression

Wie so oft hat Slavoj Žižek Recht, wenn er sagt, dass das eigentliche Thema von Fight Club nicht widerständische Gewaltbereitschaft ist, sondern die Tatsache, dass man leiden muss, um zu Bewusstheit und Freiheit zu gelangen. Freiheit im späten Kapitalismus bedeutet zuallererst, sich selbst das zu nehmen, was der Freiheit im Weg steht („Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun“). Man muss der ideologischen Akkumulation entbehren können und sich nicht über den materiellen Besitz definieren. Der Besitz war das Selbst des Protagonisten, darum musste er ihn in die Luft sprengen, um sein soziales wie ideelles...

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Das verborgene Gesicht: Das Prinzip der Verdrängung

Andrés Baiz‘ La cara occulta erzählt eine Eifersuchtsgeschichte, die uns in jeder Szene den Mangel des Subjekts vor Augen führt: Mit Adriáns Umzug nach Bogotá wird das Rad des unstillbaren Begehrens in Gang gesetzt, für Fabiana wird Adrián von der ersten Szene an als potentielle Bedrohung inszeniert. Doch darüber hinaus stilisiert der Film anschaulich die Umstände einer weitestgehend dissoziativen Verdrängung: einer Trennung entscheidender Inhalte von der bewussten Lebenssphäre.